Tri- und Tetrazyklische Antidepressiva (TZA) sind weiterhin in der modernen antidepressiven Therapie wichtige Eckpfeiler. Für Amitriptylin und Mirtazapin gibt es anhand mehrerer Metaanalysen Hinweise auf einen Wirkvorteil gegenüber anderen Antidepressiva. Die antidepressive Wirkung, aber auch das Risiko für schwere unerwünschte Wirkungen, wie z. B. Herzrhythmusstörungen oder anticholinerge Symptome, korrelieren mit dem Serumspiegel der Wirkstoffe. Therapien unter Kontrolle des therapeutischen Wirkspiegels erlauben ein schnelleres und sichereres Erreichen des therapeutischen Zieles, woraus sich eine gesteigerte Remissionsrate bei Optimierung der Verträglichkeit ergibt.
Medikamentenspiegel sollten prinzipiell im Steady State (Fließgleichgewicht) und Talspiegel bestimmt werden. Ein Steady State wird nach Ablauf von 5 Eliminations-Halbwertzeiten des verabreichten Wirkstoffes erreicht. Den Talspiegel erreichen Sie mit einer Blutabnahme unmittelbar vor erneuter Medikamenteneinnahme.
Insbesondere wird eine Bestimmung des Wirkstoffspiegels im Serum angeraten bei:
Tri- und tetrazyklische Antidepressiva hemmen eine Vielzahl synaptischer Transportproteine und Rezeptoren in jeweils unterschiedlichem Ausmaß, wodurch sich charakteristische pharmakologische Eigenschaften für jede Substanz ergeben. Für die antidepressive Wirkung scheinen folgende Mechanismen besonders relevant zu sein:
Vor allem Doxepin, Trimipramin und Mirtazapin, sowie Amitriptylin, Maprotilin und Mianserin haben antihistaminerg sedierende Wirkungen. Orthostatische Dysregulation und anticholinerge Symptome sind typische Nebenwirkungen, die die Compliance einschränken, wo bei diese bei Mirtazapin (und auch Maprotilin) am geringsten ausgeprägt sind. Die Hemmung kardialer Ionenkanäle führt insbesondere bei trizyklischen Antidepressiva in höheren Serum-Konzentrationen zu einem relevanten Anstieg des Risikos für Herzrhythmusstörungen.
Die antidepressive Wirkung ist ab mittelschweren Depressionen wissenschaftlich gesichert. Wie bei jeder antidepressiven Therapie setzen unerwünschte Wirkungen (wie z. B. Sedierung oder anticholinerge Symptome) vor der, um ca. 1-3 Wochen verzögerten, antidepressiven Wirkung ein.
Nach oraler Gabe werden tri- und tetrazyklische Antidepressiva mit maximalen Serumkonzentrationen innerhalb von 2-8 Stunden resorbiert. Die Elimination erfolgt vorwiegend hepatisch, wobei wiederum aktive Metabolite entstehen können, die auch als Medikament eingesetzt werden (z. B. Nortripytlin).
Die klinisch relevanten Details zu Pharmakokinetik, Wirkspiegel und Enzyme des Metabolismus sind in Tabelle 1 dargelegt.
Wirkstoff | Muttersubstanz - Metabolit | Therapeutischer Bereich | Eliminations- Halbwertzeit | Frühester Zeitpunkt des Steady State | Hauptenzyme des Stoffwechsels (inklusive Metabolite) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amitriptylin | Amitriptylin | Σ 80 – 200 µg/l**> | 10 - 28 h | 7 - 14 d* | CYP2C19, CYP2D6 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amitriptylin | Nortriptylin | Σ 80 – 200 µg/l**> | 18 - 44 h | 7 - 14 d* | CYP2C19, CYP2D6 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Clomipramin | Clomipramin | Σ 230 – 450 g/l** | 16 - 60 h | 7 - 14 d* | CYP2C19, CYP2D6 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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* | CYP2C19 und CYP2D6 zeigen bei ca. 10% der Bevölkerung klinisch relevante genetische Polymorphismen, die die Enzymaktivität deutlich steigern oder vermindern. Die Zeit bis zum Steady State kann daher deutlich kürzer oder länger sein. |
** | Der Wirkspiegel bezieht sich auf die Summe aus Muttersubstanz und aktivem Metaboliten. |
Tri- und tetrazyklische Antidepressiva werden überwiegend durch Cytochrom CYP450-Enzyme hepatisch metabolisiert, woraus ein hohes Interaktionspotential resultiert. Im Gegensatz zu SSRI/ SSNRI sind sie aber keine klinisch relevanten Inhibitoren dieser Enzyme.
Medikamente, die durch Inhibition oder Induktion von Cytochrom CYP450-Enyzmen zu Interaktionen führen können, sind:
Pharmakodynamische Interaktionen können sich durch die sedierenden und proarrhythmischen Wirkungen insbesondere mit folgenden Substanzen ergeben: Alkohol, ältere Antihistaminika, Barbiturate, Benzodiazepine, Hypnotika, Makrolide, Chinolone, Amiodaron, Flecainid und Propafenon. Clonidin sollte wegen seiner prodepressiogenen Wirkung nicht gleichzeitig eingesetzt werden.
Tri- und tetrazyklische Antidepressiva werden insbesondere durch CYP2C19 und CYP2D6 der CYP450-Familie verstoffwechselt. Für diese Enyzme sind bei bis zu 10% der Bevölkerung genetische Varianten beschrieben, die zu einer klinisch relevanten Steigerung oder Verminderung der Enzymaktivität führen. Somit zeigen die Halbwertszeiten eine hohe individuelle Streuung. Auch ohne weitere Arzneimittelinteraktionen können daher unter hohen Standarddosen toxische Wirkspiegel aufgebaut werden, was durch therapeutisches Drug Monitoring zuverlässig verhindert wird.
Die Bewertung von Wirkstoffspiegeln beinhaltet sowohl die Interpretation der Konzentrationen in Bezug auf den empfohlenen therapeutischen Bereich als auch die Beurteilung der applizierten Dosis, der Begleitmedikation und weiterer Erkrankungen. Um die dafür notwendigen Informationen zu erhalten, bitten wir Sie deshalb, den speziellen Anforderungsschein für Medikamentenspiegelbestimmungen zu verwenden. Es werden methodenbedingt mit einer Anforderung alle aufgeführten Wirkstoffe in einer Gruppe analytisch erfasst, mit Ausnahme von Mirtazapin, Mianserin und Opipramol (vgl. Tabelle 1).
Die Medikamentenspiegelbestimmung ist im kurativen Fall ohne Einschränkung im Leistungsspektrum des EBM und der GOÄ enthalten. Pharmakogenetische Untersuchungen werden von privaten und bei einigen Indikationen (siehe Anforderungsschein Medikamentenspiegelbestimmung/Pharmakogenetik) auch von gesetzlichen Kassen getragen. Für die mitanalysierten Wirkstoffe entstehen keine Kosten.
Wirkstoffbestimmung:
Serum/Vollblut (Blutentnahme im Steady state unmittelbar vor erneuter Medikamenteneinnahme)
Pharmakogenetik:
EDTA-Blut oder Schleimhautabstrich
Ihre Ansprechpartner für die Wirkstoffbestimmung und pharmakologische Bewertung:
Literatur
Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Leif Gerrit Hommers / Revision 2024 Dr. med. Frank-Peter Schmidt
Stand
März 2024