Cortisol ist ein lebensnotwendiges Steroidhormon der Nebennierenrinde, das zahlreiche zelluläre Funktionen reguliert. Cortison ist der inaktivierte Metabolit von Cortisol, der in der Speicheldrüse durch das Enzym 11β-HSD2 vermehrt lokal gebildet wird. Cortison im Speichel als labordiagnostischer Parameter umgeht mehrere methodische Schwierigkeiten der direkten Bestimmung von Cortisol und bildet verlässlich das biologisch aktive (freie) Cortisol im Serum ab. Eine pathologisch verminderte Produktion von Cortisol ist für verschiedene endokrinologische Erkrankungsbilder charakteristisch.
Das klinische Bild bei Hypokortisolismus/Nebennierenrindeninsuffizienz hängt insbesondere davon ab, ob ein akuter Prozess oder ein chronischer Verlauf vorliegt. Eine akute Nebennierenrindeninsuffizienz zeigt sich meist als schwere Erkrankung, oft mit kardiovaskulären Schock und Bewusstseinsstörungen (bis zum Koma), nachdem zuvor über einen kürzeren Zeitraum unspezifische Symptomen wie abdominale Beschwerden, Fieber, Lethargie/Erschöpfung bestanden haben. Die chronische Nebennierenrindeninsuffizienz zeigt zunächst meist uncharakteristische Symptome. Erst als generalisierte Nebennierenrindeninsuffizienz (z. B. M. Addison) zeigen sich charakteristische Symptome wie Hyperpigmentierung, Elektrolytstörungen, Hypotension oder gesteigertes Verlangen nach Salz. Die Labordiagnostik basiert auf dem Nachweis einer inadäquat verminderten Cortisolproduktion, insbesondere nach Stimulationstests.
Mittels der in unserem Labor etablierten LC-MS/MS Methodik ist es zuverlässig möglich, mit hoher Sensitivität und Spezifität Cortison und Cortisol in niedrigen Konzentrationen nachzuweisen und eindeutig zwischen Cortison und Cortisol zu unterscheiden. Dies ist mit klassisch-labordiagnostischen Methoden auf Basis von Immunoassays in dieser Form bisher nicht möglich gewesen. Cortisol kann frei in den Speichel diffundieren und wird in den Speicheldrüsen lokal durch die 11β-HSD2 zu Cortison metabolisiert. Deshalb ergibt die Zusammenschau der beiden Parameter Cortison und Cortisol ein valides Abbild des freien Cortisols im Serum.
Die Bestimmung von Cortison/Cortisol im Speichel mittels LC-MS/MS als Abbild des freien Cortisols im Serum unterliegt nicht den diagnostischen Problemen, die für die Bestimmung von Cortisol im Serum wegen der Bindung an bzw. Freisetzung von Cortisol aus dem Cortisol-Binde-Globulins (CBG) gelten. Dies betrifft insbesondere Diabetiker und Frauen, die hormonelle Kontrazeptiva einnehmen bzw. schwanger sind, gilt aber auch bei Hyperthyreose, nephrotischem Syndrom oder Leberinsuffizienz, bzw. für genetische Varianten des CBG.
Als Basisdiagnostik wird die Bestimmung von Cortison und Cortisol im Speichel am Morgen nach dem Aufstehen durchgeführt. Liegt der Wert für Cortison über 3,5 µg/l bzw. über 0,6 µg/l für Cortisol ist eine Nebenniereninsuffizienz unwahrscheinlich. Diese Untersuchungsmethode ist noch Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Entwicklungen. Als alternative Basisdiagnostik bietet sich die Bestimmung des Cortison/Cortisol-Tagesprofils im Speichel an. Zeigt sich eine abgeflachte zirkadiane Rhythmik auf niedrigem Niveau, ist dies ebenfalls ein Hinweis auf einen Hypokortisolismus. Wir möchten hier auf unsere Diagnostikinformation „Cortison/Cortisol-Tagesprofil im Speichel“ verweisen.
Besteht ein begründeter Verdacht sollte das Ergebnis mit mindestens einer zweiten Methode bestätigt werden. Neben den etablierten Verfahren des ACTH Testes im Blut kann eine Bestimmung von Cortison und Cortisol im Speichel nach Stimulationstest mit 0,25 mg ACTH (Synacthen) durchgeführt werden. Liegen 30 oder 60 Minuten nach Gabe von ACTH die Werte für Cortison über 16,2 µg/l bzw. über 5,4 µg/l für Cortisol ist eine Nebenniereninsuffizienz unwahrscheinlich.4
Bitte vermerken Sie auf dem Anforderungsschein Basisdiagnostik Cortison/Cortisol. Die Bewertung der Basisdiagnostik beinhaltet die Interpretation der Konzentrationen von Cortison und Cortisol im Speichel in Bezug auf die Referenzwerte unter Berücksichtigung der angegebenen klinischen Informationen.
Die Bestimmung von Cortison und Cortisol im Speichel ist ohne Einschränkung im Leistungsspektrum des EBM und der GOÄ enthalten.
Die Speichelproben werden mittels Salivette Cortisol, Code blau (Sarstedt, Nümbrecht, Deutschland) gewonnen. Sollten Sie ein anderes Abnahmesystem bevorzugen bitten wir zuvor um Rücksprache.
Zur Vermeidung falsch positiver Ergebnisse wird empfohlen:
Die Referenzbereiche sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Indikation | Cortison | Cortisol | Untersuchungszeitpunkt | |
Basisdiagnostik | > 3,5 µg/l | > 0,6 µg/l | 06:00 - 08:00 | |
Erweiterte Diagnostik | 0,25mg ACTH-Stimulationstest | > 16,2 µg/l | > 5,4 µg/l | 30 bzw. 60 Minuten nach ACTH Gabe |
Literatur
Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Leif Gerrit Hommers
Stand
Juni 2018